Malerei - Aquarelle - Kunst

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Angela Becker-Fuhr,
geb. am 4.10.1946

[english text version]

Die Malerin Angela Becker-Fuhr ist ein konsequenter Mensch. Man weiß bei ihr, woran man ist. Angela Becker-Fuhr lebt in der Gegenwart. Ihr Vater, Curth Georg Becker (1904-1972) lehrte sie, die Welt, in der sie sich bewegt, genau zu beobachten und ihre eigene Erfahrungen zu reflektieren. Durch Herkunft und Erziehung kritisch denkend geübt, ist sie sich ihrer Wurzeln bewußt und  ein politischer Mensch. Sie hat  Respekt vor der Kreatur, Demut vor Leid und ist voller Bewunderung vor dem, was durch keinen Krieg, keine Diktatur und nicht durch Dummheit zerstört werden konnte.

Nach „Lehr- und Wanderjahren“ durch verschiedene Großstädte (Paris, Köln, Berlin, Frankfurt) lebt Angela Becker-Fuhr jetzt am Bodensee, und zwar an einer Stelle, an der der See auf dem Weg zum Rhein immer schmaler wird und die Ufer der Schweiz und Deutschlands näher rücken. Es ist dieselbe Gegend, in der sie aufgewachsen ist. Allerdings ist sie keine Bodenseemalerin. Das ist das Genre, das völlig zu Unrecht als Pflege einer Idylle und künstlerischen Harmoniesucht verstanden wird. Interessanterweise haben das immer nur die so gesehen, die von außen auf die Künstler am See schauten. Die, die dort malten, sind mit ihrem Werk der Beweis dafür, dass die Süße der Landschaft nur in den Köpfen derer existiert, die nicht dort leben. Am See zu leben und die Welt als Atelier zu begreifen schließen einander  nicht aus.

Seit mehr als fünfzehn Jahren arbeitet Angela Becker-Fuhr auch über Südostasien: Indonesien, Malaysia, Thailand und Vietnam. Sie liebt die Mittelmeerländer Italien, Frankreich, auch Spanien, wo sie schon mit ihrem Vater 1970/71 zusammen malte – sie ist immer wieder zurück an den See gekommen. Die Malerin arbeitet auf Papier und Karton, nutzt beides nicht nur als Oberfläche, die mit Farbe zu bedecken ist. Das Papier wird geschunden, malträtiert, mit Bodenseesand gequält, seine Poren werden aufgerissen, und dann offenbart das Blatt Strukturen, die in Verbindung mit der Farbe zu überraschenden Effekten führen. Die Arbeiten aus Südostasien sind meist von verhaltener Farbigkeit. Vietnam hat sie, politische Erfahrung der später 60er Jahre, bewegt und nicht mehr losgelassen.

Manches präsentiert sich wie durch einen Schleier, Ergebnis einer Wischtechnik, die den Konturen die Schärfe nimmt. Es sind meist, mit Ausnahmen, beschwingte Motive; vielleicht mag es sein, daß diese Landschaften, die sie seit  15 Jahren bereist, sie freimachten.

Die Malerin hat auch den Mut zu kraftvollen Tönen. Da traut sich eine Malerin hinzulangen, starke Gefühle zu zeigen. Die andalusischen Landschaften sind beispielsweise von geradezu betörender Farbintensität. Angela Becker-Fuhr sucht Themen aus, um diese dann in zahlreichen Variationen in den Griff zu bekommen. In immer intensiveren Studien experimentiert sie mit der übermalten Photographie. Die Photos macht sie selbst, um Unterlagen zu schaffen, die übermalbar sind. Ihre dichte Übermalung läßt die photographische  Abbildung mit der Malerei verschmelzen. Es entstehen  Bilder von hoher Qualität.

Es sind beschwingte Motive, die von diesen Auslandsbesuchen künden. Ein Motiv kehrt immer wieder: Türen. Türen sind Anfang und Ende, Ungewissheit und Verheißung. Offene Türen zeigt sie nicht, alle sind geschlossen. Aber sie stoßen nicht ab. Die Wißbegier bleibt, wohl auch die Spannung, die Beklemmung,… Zwei Bilder stützen das: Sie zeigen das Bürgerasyl in Stein am Rhein in der Schweiz. Das ist, nach dem von Lyon, das älteste Bürgerasyl Europas, eine Mischung aus Altersheim und Krankenhaus, Siechenstation und letztem Ort der Lebenden, Stufe zum Übergang von Leben und Tod. Genau das ist es wohl, was die Malerin spürte, als sie das Motiv bildnerisch umgesetzt hat. Falls sich düstere Ahnung und heiteres Gelöstsein vereinen lassen, hier ist es gelungen.

Angela Becker-Fuhrs Atelier liegt in einem aufgelassenen Kloster des 14. Jahrhunderts. Das Fenster zeigt zum Untersee. In der entgegengesetzten Richtung liegt der Schiener Berg, der aus der Höri aufragt. Die Malerin hat also gewissermaßen eine feste Stütze im Rücken und einen klaren Blick nach vorn, wenn sie malt. Ein schöner Platz…

Textvorlagen von Gerd Appenzeller, Berlin
Bearbeitet und gesprochen von Joachim Filliés, Wiesbaden



Eine faszinierende Welt voll Farbe
- Angela Becker-Fuhrs Aquarelle
             [english version]

Angela Becker-Fuhrs künstlerische Vorstellungen finden Ausdruck in zwei gegensätzlichen Bildmedien, dem Aquarell und der Collage.


Letztere durch Dada und Surrealismus inspiriert, entdeckte sie erst spät als adäquate Technik über die Erfindungen der Erscheinungswelt hinauszugehen, mit intuitiver Kombinatorik sowie illustrativ – ästhetischer Inszenierung, aber auch analysierendem Intellekt diese in gebrochenen Beschwörungen und Symbolen erneut zu brechen und zu deuten.

In ihren Aquarellen jedoch hält die Künstlerin gleichsam vor der reinen Anschauung der Phänomene inne. Ausgangspunkt ist meist die Natur in ihrer spezifischen Ausstrahlung. Für ihren Vater, den Maler und Graphiker Curth Georg Becker (1904 – 1972), bot vor allem die Landschaft, in der er lebte und die er durch Reisen zu entdecken suchte, innerhalb seines breit angelegten Schaffens immer wieder thematischen Anstoß zur malerischen Auseinandersetzung. Die Familie lebte im Bodenseegebiet, der südlichsten Landschaft Deutschlands, wo die 1946 geborene Angela aufwuchs und dessen Anziehungskraft noch ungebrochen ist: so wohnt sie heute wieder am See (...).

Ihre Malerei verleugnet keineswegs die künstlerische Prägung durch den Vater, von dem sie schon früh Mal- und Zeichenunterricht erhielt, und es lassen sich durchaus affine Sichtweisen sowie formale Entsprechungen entdecken.

Bedeutet die Collage im Selbstverständnis der Künstlerin auch intellektuelles Korrektiv und Aussagemodus ihrer gesellschaftskritischen Haltung, überläßt sie sich in der malerischen Umsetzung des Natureindrucks ganz der Aquarelltechnik eigenen Spontaneität.

Neue Impulse vermittelte der erste Thailand – Aufenthalt im Frühjahr 1985. Seitdem entstanden eine Reihe von reizvollen Aquarellen, mit denen sie sich stärker vom Einfluß des Vaters zu lösen begann. Nach eigener Aussage waren ihre Reiseerlebnisse in dieser Hinsicht von geradezu befreiender Wirkung.

Es folgten jährliche Reisen in Begleitung ihres Mannes nach Indonesien, Malaysia, Vietnam, vor allem aber immer wieder Thailand

Die vorgestellten Landschaften sind natürlich nicht zu trennen von den malerischen Ideen ihrer Umsetzung. Ganz ohne innovatorischen oder experimentellen Anspruch bleibt Angela Becker-Fuhr der Tradition gegenständlicher Malerei im weitesten Sinne verbunden und zeigt sich dabei auch an schönheitlichen Aspekten interessiert. Ihre Motive aus Thailand sind keine topographisch genauen Schilderungen, sondern subjektiv stilisierte und farbig überhöhte Anverwandlungen eines für sie ganz neuen Natureindrucks. Die Künstlerin verzichtet weitgehend auf eine detaillierte Vorzeichnung und arbeitet direkt mit dem Pinsel. Dabei verliert sich die malerische Spontaneität Angela Becker-Fuhrs nicht restlos im kalkulierten Zufall improvisatorischer Kräfte, sondern wird von einer bewußten und komponierenden Strichführung gelenkt. Die mit vereinfachenden Pinselzügen linear konturierten Landschafts- und Architekturmotive sind in transparent zerfließenden sowie stärker abgegrenzten, deckenden Farben eingebetet. Mitunter entwickelt sich hierbei ein überaus reizvoller Dialog zwischen gegenständlich beschreibenden und autonom gestalteten Formen. Die dingliche Nähe der Motivelemente wird zugunsten ihrer farbigen Erscheinung zurückgenommen, deren Stimmungsgehalt ihre Sichtweise des Fluidums asiatischer Landschaft wiederzugeben sucht. Die aquarellierten Reise – Impressionen vermitteln dem Betrachter somit weniger touristisch verbrämte Exotik, als vielmehr das, was die Künstlerin innerhalb ihrer formalen Gestaltungsmöglichkeiten sensibel und mit sinnlicher Koloristik von dem Gesehenen und Gefühlten transponierte. Angela Becker-Fuhr möchte nicht für sich beanspruchen, mit den Augen einer Europäerin diesen fremden Kulturkreis durchdrungen zu haben, sonder sie versucht, die Bewunderung und ihr Staunen angesichts der jenseits ihres bisherigen Erfahrungshorizontes liegenden Landschaftseindrücke und Kulturerlebnisse ohne Scheu bildnerisch umzusetzen. So ist eine „Reisetagebuch“ betitelte Serie von Blättern als eine ganz persönliche Hommage an diese ferne, faszinierende Welt und an die darin lebenden Menschen zu verstehen.

Text von Achim Sommer zur Ausstellung
im Goethe – Institut, Bangkok 1989